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Umsetzung des § 2b UStG und TCMS
Die Einführung des § 2b UStG wirft bei vielen juristischen Personen desöffentlichen Rechts die Frage auf, wie man dieser Herausforderung gerecht werden kann. Neben den notwendigen Umsetzungsmaßnahmen bietet sich zur Sicherstellung der korrekten Umsetzung sowie Fortentwicklung der neuen Rechtslage die Implementierung eines Tax Compliance Management Systems an, erläutern Christian Baier und Benedikt Susset.
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Einleitung
Die gesetzliche Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand in Form des § 2b UStG bedeutet eine Zäsur bei der Besteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR). Die Änderung wurde notwendig, um die Vorgaben des europäischen Mehrwertsteuerrechts umzusetzen. Dieses definiert den umsatzsteuerlichen Unternehmerbegriff nämlich eigenständig und kennt gerade keine Verknüpfung zu körperschaftsteuerlichen Regelungen.
Durch die Neuregelung des § 2b UStG findet eine Abkehr von der bisherigen Rechtslage statt, wonach die jPöR grundsätzlich nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (BgA) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig und somit als umsatzsteuerlicher Unternehmer einzustufen war. Die Aufhebung des § 2 Abs. 3 UStG hat zur Konsequenz, dass es umsatzsteuerlich künftig nicht mehr auf das Vorliegen eines BgA beziehungsweise eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs ankommt. Sämtliche Einnahmen sind daher auf ihre künftige umsatzsteuerliche Relevanz zu prüfen.
Grundsätzlich war die Neuregelung des § 2b UStG erstmalig ab dem Jahr 2017 anzuwenden. Jedoch wurde den jPöR ein Optionsrecht eingeräumt, das erlaubte, durch Erklärung gegenüber dem Finanzamt die neue Rechtslage erst ab dem 1. Januar 2021 anzuwenden. Diese Übergangsfrist wurde weitere zwei Jahre, bis zum 31. Dezember 2022, verlängert. Damit wird die Anwendung der Neuregelung spätestens zum 1. Januar 2023 verpflichtend. Eine weitere Verlängerung steht nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zur Disposition.
Im Rahmen der anforderungsgemäßen Umsetzung des § 2b UStG und generell zur Einhaltung der immer komplexer werdenden steuerlichen Anforderungen und Verpflichtungen stellt sich zudem für jPöR die Frage, wie künftig eine Sicherstellung regelkonformen Verhaltens gewährleistet werden kann. Ein hierbei hilfreiches Mittel kann ein sogenanntes Tax Compliance Management Systems (TCMS) sein. Weiteres Ziel eines TCMS ist es daneben auch, finanzielle, bußgeld- beziehungsweise strafrechtliche und in diesem Zusammenhang auch kommunalpolitische Risiken (Reputationsschäden) für die Kommune und deren Organe sowie Beschäftigten zu verringern und bestenfalls zu vermeiden, die durch steuerliches Fehlverhalten entstehen können. Denn bereits bei fahrlässigem Handeln können buß- und strafrechtliche Konsequenzen, nicht zuletzt auch für die Verwaltungsspitze, drohen.
2. § 2b UStG – Grundzüge, Aktuelles, Ausblick
Mit Blick auf das Jahr 2023 ergibt sich eine gravierende Herausforderung: die verpflichtende Umsetzung des § 2b UStG. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage kann sich nunmehr eine umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft grundsätzlich in allen Bereichen der jPöR ergeben. Entscheidend ist also nur noch, ob sich eine Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG ergibt beziehungsweise ob Ausnahmetatbestände des § 2b UStG greifen, die eine Unternehmereigenschaft ausschließen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat im Jahr 2016 Erläuterungen zur Anwendung beziehungsweise Auslegung des § 2b UStG gegeben.1 Im Laufe der Jahre 2017 bis 2022 und insbesondere in den letzten Monaten und Wochen wurden weitere BMF-Schreiben, Landesverfügungen sowie Schreiben von Ministerien erlassen, die bestimmte Themenbereiche und deren Einordnung unter § 2b UStG regeln.
Grundsätzlich lässt sich als erste erhebliche Änderung zur bisherigen Rechtslage festhalten, dass jPöR mit all ihren Tätigkeiten auf privatrechtlicher Grundlage, die im Rahmen eines Leistungsaustausches erbracht werden und als nachhaltig (Wiederholungsabsicht) einzustufen sind, eine Unternehmereigenschaft und damit eine umsatzsteuerliche Relevanz (Steuerbarkeit) begründen. Bisher konnten viele dieser Tätigkeiten mangels wirtschaftlichen Heraushebens (BgA-Grenze von 35.000 beziehungsweise jetzt 45.000 Euro) als nicht steuerbar angesehen werden. Ebenso sind vermögensverwaltende Tätigkeiten in der Regel steuerbar.
Lediglich bei Handeln auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (zum Beispiel Gesetz, öffentlich-rechtlicher Vertrag, Satzung) können sich Ausnahmen ergeben, in denen nach § 2b UStG keine Unternehmereigenschaft vorliegt.
2.1 Aktuelles zu § 2b UStG
2.1.1 Feuerwehr2
Immer wieder wird im Zusammenhang mit § 2b UStG der Bereich der „Feuerwehr“ und hier insbesondere die Tätigkeiten der baden-württembergischen Kameradschaftskassen diskutiert. Hierzu fanden in den vergangenen Monaten diverse Abstimmungen mit den zuständigen Ministerien statt.3 Kernelement der Diskussionen sind die Einnahmen der Kameradschaftskassen, welche in der Regel als Sondervermögen ausgestaltet und damit Teil der jPöR sind, sowie deren umsatzsteuerliche Behandlung. Diese werden ab dem Jahr 2023 ab dem ersten Euro als steuerpflichtig einzustufen sein. Insofern sind hier mehr denn je Aufzeichnungs- und Mitteilungspflichten, unter anderem an die Kämmereien, zu beachten. Diese Pflichten treffen neben den ehrenamtlich tätigen Kommandantinnen und Kommandanten sowie Kassiererinnen und Kassierern auch die Kämmereien und erzeugen einen nicht zu vernachlässigenden Mehraufwand. Nachfolgend hat die jPöR diese Einnahmen und Ausgaben dem Finanzamt zu melden und die Umsatzsteuer abzuführen. Dies muss im Zweifel jeden Monat erfolgen, wenn die jPöR monatlich zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet ist. Die Finanzverwaltung ist hier bisher leider nicht bereit, sinnvolle Vereinfachungsregelungen zuzulassen.
Ferner müssen die Zahlungsflüsse abgebildet und ausgeglichen werden. Hier stellt sich für die Kämmereien insbesondere die Frage, ob und wie diese Sachverhalte künftig zu verbuchen sind. Bislang wurden die Einnahmen und Ausgaben der Kameradschaftskassen nämlich nicht im kommunalen Haushalt abgebildet. Leider bestehen dazu derzeit keinerlei aktuelle Hinweise oder Handlungsempfehlungen.
2.1.2 Kuchenverkauf
Wurde in Schulen oder auch Kindergärten bislang Kuchen verkauft, so war dies in der Regel umsatzsteuerlich nicht relevant. Mit der Anwendung des § 2b UStG ändert sich dies grundsätzlich. Das bringt im Hinblick auf die notwendige Kassenführung und Aufzeichnungspflichten natürlich auch einen enormen organisatorischen Mehraufwand für die Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Eltern oder Schülerinnen und Schüler mit sich.
Dies wurde in den vergangenen Monaten politisch stark diskutiert. Hintergrund ist die Frage, wem die Umsätze aus den Kuchenverkäufen zuzurechnen sind. Entscheidend ist die tatsächliche Durchführung und die Frage, wer dem Leistungsempfänger gegenüber als Verkäuferin oder Verkäufer auftritt. Hierbei können nach Ansicht des Ministeriums für Finanzen als Anhaltspunkte „Ankündigungen auf Aushängen, Plakaten und Handzetteln oder mittels elektronischer Medien“ dienen.4
Unzweifelhaft sind Einnahmen dem jeweiligen Träger zuzurechnen, wenn die Schule oder der Kindergarten selbst als Verkäufer auftritt. Unklar hingegen ist die Frage, ob, inwieweit beziehungsweise in welchen Fällen das Land als Schulträger zuzurechnende Einrichtung ist.
Jedenfalls wird klargestellt, dass eine „Gruppe von Eltern“ oder eine „Schülergruppe“ selbständig organisiert und daher nicht dem jeweiligen Träger zuzurechnen ist. Verkaufen diese nur unregelmäßig ohne Wiederholungsabsicht, so scheidet eine Steuerbarkeit mangels Nachhaltigkeit aus. Auch bei regelmäßigem Verkauf kann bis zu bestimmten Einnahmengrenzen eine Umsatzbesteuerung vermieden werden.
2.1.3 Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ)
Im Rahmen der IKZ deutet sich an, dass diese in vielen Fällen ab dem Jahr 2023 steuerpflichtig werden könnte. Die ursprünglich vom Gesetzgeber in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG aufgenommene Ausnahmevorschrift wurde durch BMF-Schreiben5 faktisch außer Kraft gesetzt.
Unter anderem aus diesem Grund sind viele Bundesländer und deren oberste Landesbehörden in den vergangenen Monaten bezüglich der Behandlung der IKZ aktiv geworden und haben Verfügungen zu dieser Thematik erlassen. Beispielsweise nimmt eine Verfügung des bayerischen Landesamts für Steuern Stellung zu der Frage der Aufgabenübertragung eines gesamten Bauhofs auf andere jPöR.6 Ergebnis ist, dass eine freistellende Übertragung der gesamten Aufgabe Bauhof kommunalrechtlich nur auf andere jPöR möglich und daher mangels Wettbewerbs keine Steuerbarkeit gegeben sei. Dem hat sich das Ministerium für Finanzen nun angeschlossen und dies auch in Baden-Württemberg für anwendbar eingestuft.7
Dennoch sind viele weitere Fragen, beispielsweise die analoge Anwendung auf gegebenenfalls vergleichbare Sachverhalte, unklar. Eine mögliche Lösung für Leistungen von Personenzusammenschlüssen, zum Beispiel Verbänden an ihre Mitglieder, kann gegebenenfalls § 4 Nr. 29 UStG unter Berücksichtigung des aktuellen BMF-Schreibens8 bieten, der jedoch nur in bestimmten Fallkonstellationen Anwendung findet. Bei der Prüfung der steuerlichen Behandlung der Einnahmen darf diese Rechtsnorm dennoch nicht außer Betracht gelassen werden.
2.2 Was steht noch an?
Das Einnahmescreening zur künftigen steuerlichen Einordnung der Tätigkeiten ist in den meisten Verwaltungen weitestgehend abgeschlossen. Sofern dies noch nicht der Fall ist oder noch gar nicht begonnen wurde, ist dringend zu empfehlen, diesen Schritt anzugehen beziehungsweise fertigzustellen. Je nach Ergebnis des Einnahmescreenings kann es erforderlich sein, Satzungen, Gebührenordnungen oder Verträge anzupassen. Hier sei auf das Satzungsmuster zur Anpassung der örtlichen Satzungen an § 2b UStG des Gemeindetags Baden-Württemberg verwiesen.9
Neben den Einnahmen sind auch entsprechende Ausgaben (konsumtiv als auch investiv) zumindest in den Bereichen, in denen die jPöR selbst steuerpflichtig tätig ist, auf eventuelle Vorsteuerabzugspotentiale zu prüfen. Dies kann auch für Investitionen der vergangenen Jahre sinnvoll sein, da hier unter Umständen ein anteiliger Vorsteuerabzug bestehen könnte. Um die identifizierte und bewertete Einordnung künftig auch umsetzen zu können, bedarf es der technischen Einrichtung im jeweils eingesetzten System. Hierbei sei auf die entsprechenden Handbücher der Anbieter beziehungsweise des Rechenzentrums verwiesen.
Im Hinblick auf die verbleibenden vier Monate ergibt sich ein enormer Handlungsdruck. Die Zeit ist knapp und neben den oben genannten Schritten gilt es auch die künftig korrekte Umsetzung der neuen Rechtslage zu gewährleisten. Dies erfordert in jedem Fall, die Ämter beziehungsweise Fachbereiche zu informieren und optimalerweise auch die Verwendung von Arbeitshilfen. Denn die durch § 2b UStG weiter steigende Komplexität des Steuerrechts für jPöR, gepaart mit der Ausdehnung der Bereiche, in denen die jPöR relevante Tätigkeiten ausübt, erfordert Maßnahmen und Kontrollen, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden und eine korrekte Umsetzung zu gewährleisten.
3. TCMS in öffentlichen Verwaltungen
Das TCMS sowie dessen Inhalte scheinen auf den ersten Blick eher für Großkonzerne und deren Strukturen ausgelegt zu sein. Betrachtet man allerdings die vielfältigen, komplexen und teils sehr verästelten Strukturen einer öffentlichen Verwaltung und bedenkt man dazu, dass ein TCMS mit strukturellen und prozessualen Maßnahmen steuerrelevante Fehler vermeiden soll, ergibt sich ein anderes Bild. Spätestens zusammen mit den zuvor beschriebenen Herausforderungen des § 2b UStG und dessen korrekter Umsetzung ist die Auffassung, dass es in öffentlichen Verwaltungen keines TCMS bedarf, widerlegt. Bedenkt man zudem, dass das TCMS nicht nur auf § 2b UStG beschränkt ist, wird schnell klar, dass die Implementierung in öffentlichen Verwaltungen einerseits erforderlich und andererseits auch sinnvoll ist.
3.1 Was ist eigentlich ein TCMS?
Diese Frage stellt sich in der Praxis oft, sie ist allerdings schwer greifbar und auch nicht einheitlich zu (er-)klären. Letztendlich wird unter einem TCMS ein im Hinblick auf steuerlich gesetzeskonformes Verhalten angelegter struktureller und prozessualer Aufbau einer Einheit, hier der öffentlichen Verwaltung, verstanden.
Ziel ist es, mit Maßnahmen, Kontrollen und strukturierten Prozessen steuerlich relevantes Fehlverhalten zu vermeiden, sprich die steuerlichen Pflichten vollständig, richtig und rechtzeitig zu erfüllen.
Eine erhebliche Herausforderung in der Praxis ist die Tatsache, dass seitens der Finanzverwaltung keinerlei Richtlinien oder Anweisungen bestehen, welche Mindestinhalte für ein TCMS festlegen. Es gibt also keine Art Vorgabe oder gar Vorlage, an der man sich orientieren kann. Inhaltlich knüpft sich das TCMS an den Prüfungsstandard 980 des Instituts der Wirtschaftsprüfer10, in welchem sieben Grundelemente eines Compliance Management Systems festgelegt sind. Regelmäßig werden diese Grundelemente im Rahmen einer Steuerrichtlinie beschrieben und dokumentiert.
Daneben ist Kernelement eines TCMS ein Risikoprofil, die sogenannte Risiko-Kontroll-Matrix, welche steuerliche Risiken der jeweiligen Einheit aufführt. Diesen Risken werden bestehende prozessuale Strukturen, Maßnahmen und Kontrollen gegenübergestellt (sogenannte IST-Situation oder Bestandsaufnahme). Daraus lassen sich in einem nächsten Schritt Handlungsfelder sowie Optimierungs- und Verbesserungspotentiale identifizieren und Prozesse zur Umsetzung definieren. Diese sodann anzuwenden ist ein wichtiger Schritt hin zu einem vollumfänglichen und wirksamen TCMS (SOLL-Situation/-Zustand).
Um Handlungsfelder zu schließen oder Optimierungen voranzutreiben, bieten sich beispielsweise Prozessdokumentationen, (Dienst-)Anweisungen, Checklisten, Einbindungsrichtlinien und die Implementierung eines Vier-Augen-Prinzips an. Die Umsetzung ist in der Praxis immer individuell und muss einerseits angemessen und wirksam, andererseits aber auch praktikabel umsetzbar sein. Genau in diesem Spannungsfeld müssen auch jPöR passgenaue Lösungen finden beziehungsweise entwickeln.
3.2 Was bringt ein TCMS?
Ein wirksames TCMS, dessen festgelegte Prozesse, Maßnahmen und Kontrollen im Arbeitsalltag auch umgesetzt und gelebt werden, kann handelnde Personen und Organe der jPöR vor einer Haftung schützen. Eine solche kommt immer dann zum Tragen, wenn steuerliches Fehlverhalten seitens der Finanzverwaltungen erkannt wird, welches den handelnden Personen beziehungsweise Organen in Form eines sogenannten vorsätzlichen oder leichtfertigen Handelns angelastet werden kann.11
Ist die jPöR in solchen Fällen in der Lage, ein wirksames TCMS vorzuweisen, so kann dies ein Indiz gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder einer Leichtfertigkeit bei steuerlichen Verfehlungen sein.12 Insofern kann ein TCMS eine enthaftende Wirkung entfalten.
Daneben sollte allerdings nicht vernachlässigt werden, dass ein TCMS auch aus anderen Gesichtspunkten grundsätzlich immer einen Mehrwert bietet. Ein solcher generiert sich beispielsweise aus der Überprüfung eingefahrener Strukturen oder Prozesse, welche effektiver ausgestaltet werden. Daneben tragen Checklisten zu einer höheren Sicherheit, Zufriedenheit und Zeitersparnis der Mitarbeitenden bei. Nicht zuletzt helfen Einbindungsrichtlinien beispielsweise dabei, Verträge nicht nachverhandeln oder gar umstellen zu müssen, sondern diese von vorneherein korrekt auszugestalten, was zu zeitlichen und finanziellen Einsparungen führt.
3.3 Praktische Umsetzung in öffentlichen Verwaltungen
Im Folgenden sollen einige Beispiele aus der kommunalen Praxis öffentlicher Verwaltungen aufgeführt werden. Da jedoch jede Verwaltungsstruktur individuell und verschieden ist, sind diese Beispiele weder abschließend noch unverändert in jeder Verwaltung anwendbar beziehungsweise praktikabel umsetzbar.
Das TCMS zeichnet sich immer durch einen individuellen und zugeschnittenen Aufbau aus, da nur so eine Wirksamkeit gepaart mit einer Praktikabilität erreicht werden kann.
3.3.1 Steuerrichtlinie
Aufgrund der Dezentralität und Komplexität öffentlicher Verwaltungen sowie deren vielseitigem Handeln muss im Rahmen der Erstellung der Steuerrichtlinie ein besonderes Augenmerk auf die Themen Zuständigkeiten, Schnittstellen zwischen Ämtern („Hol- und Bringschulden“) sowie auch Einbindung anderer Ämter gelegt werden. Nur so kann klar definiert werden, wer welche Pflichten oder aber auch Rechte innehat.
3.3.2 Zuständigkeit, Einbindungsrichtlinien
Erfolg kann ein solches Projekt nur dann haben, wenn die Zuständigkeiten für die Erarbeitung klar geregelt sind. Insofern bedarf es einer zuständigen Person beziehungsweise eines Personenkreises, der sich um die Implementierung kümmert und diese vorantreibt. Beispielsweise kann diese Person nachfolgend im Arbeitsalltag dann auch als erste Ansprechpartnerin oder -partner für das Thema „Kommune als Steuerschuldnerin“ agieren. Sie nimmt eine Bündelfunktion ein, prüft neue Sachverhalte, gibt anderen Ämtern Hilfestellungen und agiert gegebenenfalls auch als Bindeglied zu externen Beraterinnen und Beratern. Sinnvoll ist in diesem Zusammenhang auch die Definition von Sachverhalten, bei denen die zuständige Person immer zwingend vorab einzubinden ist, um eine steuerliche Prüfung vornehmen zu können.
3.3.3 Prozessdokumentationen
Für bestimmte wiederkehrende Prozesse empfiehlt es sich, Dokumentationen über den Ablauf, die Zuständigkeiten innerhalb des Prozesses und die entsprechenden Arbeitsschritte zu erstellen – sogenannte Prozess- oder Verfahrensdokumentationen. Als klassisches Beispiel hierfür sei der Erstellungsprozess der Umsatzsteuervoranmeldungen zu nennen: Wer liefert die erforderlichen Informationen zum richtigen Zeitpunkt an die für die Weiterbearbeitung zuständige Stelle? Wer ist innerhalb des Prozesses für welche Arbeitsschritte zuständig? Was beinhalten die Arbeitsschritte konkret? Wie genau werden die Arbeitsschritte durchgeführt? Wie ist die Durchführung zu dokumentieren?
Daneben können beispielsweise weitere Standardprozesse wie das Vertragsmanagement (Koordination und steuerliche Prüfung von Verträgen), die Erstellung von Jahresabschlüssen sowie die Erstellung und Abgabe von Steuererklärungen in solchen Dokumentationen geregelt werden.
Prozessdokumentationen helfen dabei, Prozesse effektiv und sicher abzuwickeln und deren Durchführung zu dokumentieren. Die Prozessdokumentationen können klassischerweise verschriftlicht, alternativ auch bildlich visualisiert und beschrieben werden.
Elementar hierbei ist, dass der jeweilig definierte Prozess dann auch in der vorgegebenen Weise durchgeführt und dessen Durchführung dokumentiert wird. Letzteres wird leider allzu oft vernachlässigt. Der spätere Nachweis der Durchführung (Wirksamkeit der Maßnahme) fällt infolgedessen oftmals schwer.
3.3.4 Systemgestützte Kontrollen
Zumindest mittelfristig sollte Ziel eines TCMS auch sein, Kontrollen in möglichst weitem Umfang zu digitalisieren beziehungsweise optimalerweise zu automatisieren. Das können einfache Erinnerungen in einem angelegten Fristenkalender sein, beispielsweise für die rechtzeitige Abgabe von unterjährigen Steuervoranmeldungen und jährlicher -erklärungen oder die Dokumentation der Rücklagenbildung bei Regiebetrieben zur Vermeidung einer Kapitalertragsteuerbelastung.
Daneben bieten sich Kontrollmaßnahmen an, die direkt im jeweilig eingesetzten System implementiert werden. So können beispielsweise bestimmte Konten mit standardisierten Steuerkennzeichen belegt, in den Stammdaten Pflichtfelder (zum Beispiel Steuernummer der Geschäftspartnerin oder des -partners) definiert und bei Buchungen die zwingende Verwendung eines auszuwählenden Steuerkennzeichens vorgegeben werden.
Je nach System lassen sich hier sinnvolle Kontrollmechanismen einrichten und mit vergleichsweise geringem Aufwand umsetzen. Dies ist insbesondere auch im Hinblick auf § 2b UStG und der Frage nach dem richtigen Steuerkennzeichen ein relevantes Thema bei der technischen Einrichtung der künftigen umsatzsteuerlichen Gegebenheiten.
3.3.5 Arbeitshilfen
Checklisten, Aufstellungen, Dienstanweisungen sowie Nachschlagewerke dienen oftmals als geeignete und einfach umzusetzende Maßnahmen, um insbesondere Ämtern, die bisher kaum mit dem Thema Steuern befasst waren, eine Hilfestellung für die tägliche Arbeit zu geben.
Wichtig hierbei ist allerdings, dass die Inhalte vorab und dann fortlaufend auch regelmäßig geschult werden, um einen tatsächlichen Effekt zu erzielen. Ebenso muss in den entsprechenden Ämtern die Bereitschaft gegeben sein, diese Hilfestellungen anzunehmen und tatsächlich zu nutzen. Denn die erforderlichen Ressourcen zur Erarbeitung von Arbeitshilfen, die später ungenutzt bleiben, können durchaus besser investiert werden.
3.3.6 Schulungen und Fachwissen in anderen Ämtern
Die Gesamtkonzipierung eines TCMS sollte zwingend auch Schulungsteile beinhalten beziehungsweise das Thema Aus- und Fortbildung aus steuerlicher Sicht nicht ausblenden. Ziel hierbei muss es nicht zwingend sein, in jedem Amt Steuerspezialisten auszubilden. Ein wichtiger Baustein ist aber das grundlegende Verständnis der steuerlichen Behandlung beziehungsweise ein Gespür dafür zu schaffen, wann Sachverhalte gegebenenfalls intern vorab abzustimmen sind. Auch empfehlen sich ämterspezifische Schulungen zu tatsächlichen Sachverhalten, um der Thematik die notwendige Praxisrelevanz zu geben.
Sinnvoll kann es zudem auch sein, in den Ämtern jeweils eine Person als für das TCMS zuständige Ansprechpartnerin oder zuständigen Ansprechpartner zu integrieren. Diese Person bildet sodann ämterintern eine Anlaufstelle für steuerliche Fragen und koordiniert diese im Zweifelsfall an die Kämmerei beziehungsweise die für das TCMS zuständige Person weiter. Insofern wird hier eine Schnittstellenfunktion geschaffen, die einen konstanten Informationsfluss in beide Richtungen gewährleisten soll.
4. Ausblick
Die steigende Komplexität des Steuerrechts sowie stetige Gesetzesänderungen und insbesondere auch die Einführung und verpflichtende Umsetzung des § 2b UStG bewirken bei jPöR erhöhten Aufwand sowohl in personeller als auch finanzieller Hinsicht. Die Anwendung des § 2b UStG zum Jahr 2023 naht in großen Schritten, eine erneute Verlängerung oder eine vereinfachte Handhabung wird es seitens der Finanzverwaltung nicht geben. Die Gefahr von steuerlichem Fehlverhalten wird daher zunehmend größer und erfordert bereits jetzt entsprechende Gegenmaßnahmen.
Eine solche kann beispielsweise ein TCMS sein, welches einerseits die Gewährleistung für die korrekte Umsetzung des § 2b UStG sowie anderer steuerlicher Pflichten sein kann und optimalerweise zudem einen generellen Mehrwert für die gesamte Verwaltung bietet. Nicht zuletzt kann das TCMS im schlimmsten Fall auch eine Haftungsvermeidung mit sich bringen. Ein solches System einzuführen ist neben der gegebenen Sinnhaftigkeit auch erforderlich beziehungsweise zwingend zu empfehlen.
Unabhängig davon, ob sich die jPöR zur schrittweisen Implementierung entscheidet, ist festzuhalten, dass die Funktion der „Kommune als Steuerschuldnerin“ eine immer größere Rolle einnimmt beziehungsweise auch künftig weiter einnehmen wird. Hierbei muss erfahrungsgemäß das Bewusstsein für das Bereithalten personeller und finanzieller Kapazitäten, die diese Thematik erfordert, in den öffentlichen Verwaltungen noch wachsen. Objektiv ist bereits jetzt abzuschätzen, dass die meisten jPöR – unabhängig von ihrer Größe – den entsprechenden Mehraufwand nicht mit dem vorhandenen Personalbestand bewältigen werden können, sondern dass zwingend (zusätzliche) Personalressourcen geschaffen werden müssen. Gleichwohl fällt dies in Anbetracht beschränkter finanzieller Ressourcen und der nur eingeschränkt verfügbaren Fachkräfte gerade in diesem Bereich nach wie vor besonders schwer.
Der dauerhaft erhöhte Personalaufwand wird allein durch die Tatsache deutlich, dass die Auswirkungen und Folgen des § 2b UStG nicht mit der bloßen Einführung zum Jahr 2023 abgehandelt sind. Im Gegenteil, es bedarf fortlaufend der Kontrolle der korrekten Umsetzung des § 2b UStG, der Verprobung von Auswertungen und der steuerlichen Einstufung von (neuen) Verträgen und Sachverhalten. Ebenso notwendig ist eine ständige Überwachung und Fortentwicklung beziehungsweise Anpassung des TCMS an neue Gegebenheiten, Strukturen und Tätigkeiten der jPöR. Hierfür gilt es rechtzeitig gewappnet zu sein.
Endnoten:
1 BMF-Schreiben vom 16.12.2016 - III C 2 - S 7107/16/10001, BStBl 2016 I, S. 1451.
2 Zur detaillierten Darstellung der steuerlichen Behandlung der Kameradschaftskassen siehe Fiedler/Kamps/Thönnes in: Die Gemeinde, BWGZ 24/2018, S. 942.
3 Siehe Schreiben des Ministeriums für Finanzen Baden-Württemberg an die kommunalen Spitzenverbände vom 19.07.2022, FM3-S 7107-1/77, Umsatzbesteuerung der Tätigkeiten der (Freiwilligen) Feuerwehren.
4 Vgl. Schreiben des Ministeriums für Finanzen Baden-Württemberg, FM3-S 7107-1/86, Umsatzsteuerliche Behandlung von Kuchenverkäufen an baden-württembergischen Schulen.
5 BMF v. 14.11.2019 - III C 2 - S 7107/19/10005:011, BStBl. 2019 I, S. 1140.
6 Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern, S 7107.2.1-36/8 St33 vom 18.06.2021.
7 Vgl. Schreiben des Ministeriums für Finanzen Baden-Württemberg vom 25.07.2022 an die kommunalen Spitzenverbände Baden-Württemberg, FM3-S 7107-1/72.
8 BMF-Schreiben vom 19.07.2022 - III C 3 - S 7189/20/10001 :001.
9 Siehe Gt-info: Az. 962.21 - Umsatzsteuer (§ 2b UStG): Satzungsmuster zur Anpassung einer örtlichen Satzung an § 2b UStG (§ 2b UStG-Anpassungs-Satzung).
10 IDW-PS-980 - IDW Prüfungsstandard: Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung von Compliance Management Systemen (IDW PS 980).
11 Siehe §§ 370, 378 der Abgabenordnung (AO).
12 Vgl. BMF-Schreiben vom 23.05.2016 – IV A 3 – S 0324/15/10001, BStBl. I 2016, S. 490, Rz. 2.6.
Autoren: Benedikt Susset und Christian Baier (externer Steuerberater)